Ethische Herausforderungen erkennen und reflektieren: Diversität in der Pflege (Wöhlke/Perry)

Workshop: Ethische Herausforderungen erkennen und reflektieren: Diversität in der Pflege
Verw. Prof. Dr. Sabine Wöhlke & Julia Perry, M.A.
Universitätsmedizin Göttingen

Pflegerische Kodizes (z.B. ICN) stellen allgemeine Richtlinien für pflegerisches Handeln auf, jedoch geben sie wenig Anhaltspunkte für den Umgang mit den konkreten Herausforderungen des pflegerischen Alltags, besonders im Umgang mit dem „Fremden“. So wird bei der Pflege von Patient*innen mit anderen kulturellen oder sozialen Hintergründen deutlich, dass Krankheit, Sterben, Alter und Hilfsbedürftigkeit, aber auch Geburt, Heilung und Hoffnung, Erfahrungen des Menschen sind, mit denen auf ganz vielfältige Weise umgegangen wird. Dieser Umstand wirkt sich auch auf die Beziehung zwischen Pflegekraft und Patient*in aus und beeinflusst deren Kommunikation, vor allem in Grenzsituationen des Lebens.
Eine kultur- und diversitätssensible pflegerische Krankenversorgung beinhaltet daher die kulturelle und soziale Zugehörigkeit von Patient*innen zu respektieren und diese auch in der Situation von Krankheit erleben zu können. Dies setzt ein grundlegendes pflegerisches Verständnis und eine Sensibilität für kulturelle und soziale Besonderheiten, wie auch die Reflexion auf die eigenen kulturellen und sozialen Wurzeln voraus. Daher bewegt sich eine kultur- und diversitätssensible Pflegeethik immer in einem Spannungsfeld, in dem Aspekte von Fremdheitserfahrungen und Missverständnissen im Kontext kultureller Verschiedenheit gedeutet werden müssen. Zuschreibungen gruppenbezogener Identitäten werden dann ethisch problematisch, wenn sie als feststehende Erklärungsmuster genutzt werden. Derartige Probleme treten in moralischen Konfliktsituationen im pflegerischen Alltag auf, wenn z.B. aus „der muslimischen Patientin“ „oder dem Obdachlosen“; oder auch „der verwirrten Frau“ allzu leicht eine Chiffre für den „schwierigen Patienten“ abgeleitet wird, der sich nicht integriere/anpasse und die moralischen Standards „unserer Kultur“ nicht akzeptiere. Kulturelle Diversität geht jedoch darüber hinaus und schließt die Unterscheidung und Anerkennung von individuellen und Gruppenmerkmalen wie Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Behinderung sowie Religion, soziokultureller Hintergrund und Hautfarbe mit ein.
In dem Workshop wollen wir uns im Rahmen einer diversitätssensitiven Pflege mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit die Reflexion bestehender pflegerischer Differenzsetzungen einen Beitrag in der gegenwärtigen Pflegeethik leisten kann. Wir wollen anhand von ausgewählten Filmbeispielen, die uns als dreidimensionale Beispiele dienen, herausarbeiten, welchen Aspekten einer kulturellen Identität insbesondere aus Patient*innensicht eine besondere Aufmerksamkeit zukommen soll. So können Ansätze einer kultursensiblen Pflegeethik auf konkrete Handlungsfelder in der Krankenversorgung übertragen werden, um dadurch im Alltag der Krankenversorgung einen Raum für den Umgang mit Fragen von Kultur und Diversität zu eröffnen.